„Ich habe mir vieles ganz anderes vorgestellt.“, äußerte sich überrascht der 26jährige Dennis Ruß aus Teublitz nach einer Jugendstudienreise seiner Pfarrgemeinde ins Heilige Land, „Nicht nur die aktuelle politische Situation in dem Land wurde für mich verständlicher. Auch so manchen Bibeltext werde ich jetzt mit anderen Ohren hören und verstehen.“ Neben Dennis Ruß brachen 23 weitere Jugendliche aus dem Umkreis von Teublitz Ende August ins Heilige Land nach Israel und Palästina auf.
Getragen und unterstützt wurde die Studienreise vom Deutschen Verein vom Heiligen Land und vom Bayerischen Jugendring, welche bei der Organisation halfen und großzügige finanzielle Unterstützung gewährten. Spiritueller Leiter war der Teublitzer Pfarrer Dekan Michael Hirmer, der die Gruppe mit Guide Maroun Seder auch selbst durch die heiligen Stätten Israels und Palästinas führte.
„Die Klagemauer bei Nacht und der nächtliche Spaziergang durch Jerusalem gleich am ersten Abend waren für mich besonders.“, resümiert Oberministranten Tina Emmert ihre Erlebnisse, „die Gassen der Altstadt, das Gebetsleben orthodoxer Juden an der Klagemauer beeindruckten mich. Für sie ist Religion der wesentliche Bestandteil ihres Lebens.“ Jerusalem wäre ohne Religionen nicht denkbar. Denn Juden, Moslems und Christen nennen sie „heilige Stadt“, beten in ihre, leben ihn ihr zusammen und streiten um sie. So tauchten die oberpfälzer Jugendlichen am ersten Tag in das Getümmel der Stadt ein.
„Ich werde den Ölberg nicht vergessen. Diesen Blick von dort auf die Altstadt war genial.“, kommt Stefan Weiß in den Sinn, als er an seine ersten Eindrücke von Jerusalem berichtet. „Wir feiern jetzt Gründonnerstag.“, lächelte Pfarrer Hirmer, als er den Jugendlichen den spirituellen Wert der Orte am Ölberg nahe brachte. Denn in innerhalb von gut einer Woche erlebten die Jugendlichen ein ganzes Kirchenjahr. Die Todesangst Jesu am Abend vor seinem Tod war Thema der ersten gemeinsamen Eucharistiefeier, die in der Kelter-Höhle von Getsemani gefeiert wurden.
Doch Raphael Kirschneck fand etwas anderes unterhaltsamer. „Dieser Wassertunnel war super!“ Damit meint der 18jährige Teublitzer das 2700 Jahre alte, stockfinstere und gut 500 m lange unterirdische Aquädukt das einst König Hiskija in den Fels schlagen ließ, um eine Wasserquelle nach Jerusalem umzuleiten. Für die Jugendlichen aus Bayern war dies eine feuchtfröhliche Abkühlen bei hochsommerlichen Temperaturen von über 35 Grad.
Mit dem Benediktinermönch Pater Matthias Karl tauchten die Jugendlichen in eine ganz andere Welt ein. „Was machen Sie als deutscher Mönch in Jerusalem.“, lautete eine Frage, die Jan Richter und Sophie Müllner an den Prior der Abtei Dormitio auf dem Berg Zion stellten. Dieser berichtete über den Ablauf eines Klostertages, die Besonderheit als Christ in Jerusalem zu leben und wie schwer es für einheimische Christen ist, als Minderheit in Israel und Palästina zunehmend an den Rand gedrängt zu werden.
Der erste Tag der Jugendstudienreise endete am heiligsten Ort der Christenheit, der Grabeskirche, die auch Auferstehungskirche genannt wird. Dekan Hirmer führte die Jugendliche durch die heiligen Hallen, erklärte ihnen die Kreuzigungsstelle auf dem Hügel Golgota und wie man sich das Areal um das Grab zur Zeit Jesu vorstellen musste. „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich im Heiligen Grab gebetet habe.“, fasst Juliette Röhrl aus Neufahrn in Niederbayern ihre Emotionen zusammen.
Als Jonas Störtebecker, Erika Janus und Benedikt Schreyer die Lebensgeschichte dreier Jugendlichen ihres Alters vorstellen, waren die Jugendlichen aus Bayern betroffen und schockiert. Denn diese jungen Menschen fielen dem Holocaust um Opfer. Die Gedenkstätte Yad VaShem will die Namen und Lebensgeschichten der durch NS-Deutschland ermordeter Juden nicht vergessen. Still, wortlos und respektvoll ließen die Jugendlichen diesen Ort auf sich wirken.
Gut tat das Kontrastprogramm, am Nachmittag des zweiten Tages. Über einen hoch gesicherten militärischen Check-Point kam man nach Emmaus Qubeibe. „Wir schauen hier auf den Menschen, nicht seine Religion, seine Kultur oder seinen sozialen Status.“, dieser Satz von Schwester Hildegard wirkt anders als totalitäre Gedanken der Ausgrenzung. Yvonne Mau, Juliette Röhrl und Tina Emmert führten ein Interview mit der Ordensfrau und moderierten das anschließende Gespräch. Diese erzählte von ihrer Arbeit mit älteren, behinderten Frauen und ihrem Glauben, der ihr für diese Arbeit Kraft gibt.
In eine völlig andere Welt tauchten die bayerischen Jugendlichen ein, als 20 Studierende der Pflegefakultät den Raum betraten. Begegnungen und Gespräche mit Menschen und das Kennenlernen deren Lebenswirklichkeit war zentrales Ziel der Studienreise. „Ich hätte nicht gedacht, dass diese Jugendlichen so völlig unterschiedlich von uns leben.“, war das Resümee von Jana Glötzl, die mit ihrem Bruder Tim und Anja Gebhard in perfekten Englisch das Gespräch führten. Dinge, die in Deutschland selbstverständlich sind, sind palästinensischen Jugendlichen fremd. Mal schnell 18 km nach Jerusalem fahren, nicht möglich: Ins Ausland reisen, keine Chance. Jemanden heiraten, den man liebt, geht nicht, weil die Familien das arrangieren. Doch trotz all dem wirkten die Jugendlichen glücklich. „Ich stellte mir deshalb die Frage, ob wir in Deutschland nicht schon zu satt sind, alles als selbstverständlich erachten und es verlernt haben dankbar und glücklich zu leben.“, fragt sich Niklas Störtebecker.
Karfreitag, Ostern und Weihnachten und all das bei Temperaturen von bis zu 47 Grad erleben die Studienreisenden am nächsten Tag ihrer Reise durchs Heilige Land. Schon um 4.30 Uhr brach die Gruppe zur Via Dolorosa, dem Leidensweg Jesu, auf. Es wurde der Kreuzweg hin zur Kreuzigungsstelle gebetet. „Unendlich bewegend für mich, hier Messe zu feiern.“, lautete der Tenor der ganzen Gruppe. Vielen verschlug es vor Rührung die Stimme, als Dekan Hirmer in seiner Predigt den Gehalt des Ortes für das persönliche Leben erschloss. „Wenige Worte, viel Stille und letztlich die Vergegenwärtigung dessen im heiligen Messopfer, was an diesem Ort geschehen ist, reichen auf dem Hügel Golgota aus, um Menschen anzusprechen.“, so Hirmer.
Dann galt es Abschied von der Heiligen Stadt Jerusalem zu nehmen. Mit gepackten Koffer ging es in die Geburtsstatt Jesu, nach Betlehem. Ein wenig merkwürdig mundete es schon an bei hochsommerlichen Temperaturen Weihnachtslieder anzustimmen. Aber gemeinsam mit einer lateinamerikanischen Gruppe sang man in Spanisch, Deutsch und sogar Latein die Weihnachtsklassiger „Stille Nacht“ und „Nun freut euch ihr Christen“.
Vom Bergland Judäas ging es hinab in der Jordangraben. An der Taufstelle Jesu kam es zu einem interessanten Gespräch mit israelischen Soldaten, welche die Grenze zur Jordanien sicherten. Es war spannend, zu hören, was junge Israelis von uns Deutschen halten. Sie waren verwundert, wie wir mit unserer Geschichte umgehen und scheinbar daraus gelernt haben. Wir waren verwundert, dass junge Israelis gleich drei Jahre Militärdienst leisten müssen und schon Kriegseinsätze erlebt haben.
Nach einem klassischen arabischen Essen in der ältesten Stadt der Menschheit, Jericho, ging es hinab zum tiefsten Punkt der Erde, dem Toten Meer. Die gesättigte Salzlauge des Meeres trägt einen und man kann in diesem Meer nicht untergehen. Diesen Gedanken sollte Dekan Hirmer beim Abendimpuls aufgreifen: „Gott trägt mich, er lässt mich nicht untergehen.“ Am Jordan entlang ging es zur zweiten Station der Pilgerreise, nach Tabgha in Galiläa, das direkt am See Genezareth liegt.
Untergebracht waren die oberpfälzer Jugendlichen in Großraumzelten. Zu Gast im Beit Noah (Haus des Noah), das von deutschen Benediktinern betreut wird, wohnten die Studienreisenden dort, wo einst Jesus die Brote vermehrte und die 5000 speiste. Das Beit Noah wurde von Dekan Hirmer bewusst als Unterkunft gewählt, selbst wenn die Gruppe sichtlich mit den Temperaturen von über 40 Grad und der hohen Luftfeuchtigkeit zu kämpfen hatte. Denn im der Jugendbegegnungsstätte „Beit Noah“ gab es einen kühlen Naturwasserpool und vor allem viele Begegnungsmöglichkeiten mit behinderten und nicht behinderten Jugendlichen und Erwachsenen aus Israel und Palästina. Hier war es vor allem Yvonne Mau, die ohne Schau auf die Menschen mit Behinderungen zu ging und mit ihnen trotz sprachlicher Barrieren zu interagieren begann. „Im Beit Noah kann man sich unkompliziert kennenlernen.“, meint Yvonne Mau, „Wir alle sind ja nur Menschen!“
Vor allem am Westufer des Sees Genezareth ereignete sich ein Großteil der aus den Evangelien bekannten Geschichten. Hier hielt Jesus seine Bergpredigt, berief seine ersten Jünger und lebte mit ihnen in Kafarnaum zusammen. Viele Gleichnisse erzählte Jesus in dieser Gegend seinen Anhängern, heilte viele Menschen und erschien schließlich seinen Jüngern als der Auferstandener. All diese Orte besuchten die Jugendlichen. „Aber die Fahrt auf dem Schiff, fand ich am besten.“, berichtet Tim Glötzl von der Bootsfahrt auf dem See. Nur gut, dass die Studienreisenden nicht in Seenot gerieten, wie einst die Jünger und sich von Jesus haben retten lassen müssen.
Der theologische und spirituelle Abschluss der Studienreise führe an den Anfang der biblischen Geschichten über Jesus nach Nazareth. Dort trat der Erzengel Gabriel auf und verkündete der jungen Maria, dass sie vom Heiligen Geist schwanger werden und den Sohn Gottes gebären wird. Einigen der Studienreisenden ist dieser Ort im Hochland Galiläas nicht unbekannt. Denn die Teublitzer Sternsinger unterstützten hier seit knapp zehn Jahre eine Schule. Ordensfrau Schwester Suneela ermöglichte ein Treffen mit den Lehrer*innen, die gerade das kommende Schuhjahr miteinander vorbereiteten. Max Schmid, Oliver Hölzl und Julia Hochleitner führten ein Interview. Im Anschluss daran überreichten die Oberministranten Tina Emmert, Sophie Müllner und Jonas Störtebecker eine Spende von 1000,- €, welche die Teublitzer Sternsinger zu Jahresbeginn gesammelt hatten.
Der letzte Abend der Studienreise wurde nicht nur zum gemeinsamen Abendgebet sondern auch zur Reflexion genützt. Dabei zogen die Jugendlichen ein überaus positives Resümee und bedankten sich bei Dekan Michael Hirmer, für die Organisation und bei den Ehepaaren Michael und Georg Müllner sowie Petra und Uwe Störtebecker für die Begleitung der Fahrt. Nach der Reflexion wurde es noch lustig, denn ein Bunter Abend wurde auf der Terrasse des naheliegenden Pilgerhauses gefeiert.
Auf der Fahrt zum Flughafen wurde noch das Karmel-Gebirge und die Hafenstadt Haifa mit dem Bahai-Temple sowie Ausgrabungen bei Casarea am Meer samt Aquädukt besichtigt.